Liebes Tagebuch!
Mittlerweile haben wir Pfingsten. Zwei Jahre ist meine Daggi nun schon bei den Engeln und noch soviele mehr sind schon durch Brustkrebs sehr jung gestorben. Ich war immer motiviert das ich es schaffe und überlebe. Nun nicht mehr. Ich spühre wie der Tumor, bzw die Metastasen größer werden. Ich liege mit einem Katheter im Bett und kann durch den schweren riesen Arm nicht mehr aufstehen. Zum zweiten Mal bekomme ich Depressionen. Ich habe keine Angst vor dem Tod, gar nicht. Aber vor einem langen Leiden hier im Bett hab ich Angst. Ich werde nun jeden Tag von Schwestern gewaschen und ich fühle mich wie eine achtzigjährige Oma. Heute schmerzt wieder einmal besonders meine Schulter, dort wo der Tumor schon den Knochen angefressen hat. Ich merke das mir meine Kinder immer die ganze Kraft gaben, doch nun lieg ich Tag für Tag alleine in diesem Bett und werde immer trauriger. Natürlich waren die Momente schön als die Kinder gestern hier waren, aber umso mehr wird mir bewusst, das ich nie mehr mit zu ihnen nach Hause kann. Gestern hörte ich dann die Worte " der nächste freie Hospizplatz ist ihrer, vielleicht wird da alles besser. Ich weiß im Moment nicht wie ich mich Motivieren soll......der Tag ging noch schlimmer weiter. Ein Oberarzt den ich nicht kannte musste mir Blut abnehmen. Er war so fies und gemein, das ich am Ende am ganzen Körper gezittert habe und bitterlich weinte. Er freute sich weil er mich fertig machen konnte, er strahlte übers ganze Gesicht. Ich hatte das Gefühl das der Teufel da war.... Gott sei dank kam auch meine geliebte Mama und versuchte alles mit meinem Patchworkpapa um mich zu motivieren. Sonst war ich immer die jenige die allen das Positive aufzeigte und nun lieg ich hier und ertrage meine Gedanken nicht. Ich glaube ich schaff es nicht, mich von meinen Kindern zu lösen. Ich brauche die Kraft um loslassen zu können.heute waren sie den ganzen Tag bei ihrer Tante und sie schickte mir zwischendurch Bilder übers Handy, sodass ich beruhigt war, und sehen konnte das sie etwas schönes machten. Es ist beruhigend zu sehn das es ihnen gut geht, doch andererseits, tut es so sehr im Herzen weh das ich nicht bei ihnen sein kann.
Liebes Tagebuch!
Heute ist Mittwoch, der dritte Juni...... Waaaas, schon Juni???
oh man, das Datum hab ich jetzt erstmal auf meinem Handy gesehen. Wenn man so jeden Tag, Tag für Tag immer nur im Bett liegt, dann bekommt man nicht mehr mit, was für ein Tag ist und welchen Monat wir überhaupt haben. Mittlerweile bin ich nun zwei Wochen im Hospiz. Es gibt in Solingen noch kein richtiges Haus dafür, das wird in den nächsten Jahren erst gebaut. Deshalb sind es hier acht Zimmer, die auf der zweiten Etage eines Seniorenheimes sind. Also kam ich mir vor, als würde ich ins Altersheim kommen. Nochmal musste ich mich dran erinnern, das ich dafür eigentlich gute 50 Jahre zu jung bin. Ich war sehr aufgeregt auf der Fahrt im Krankenwagen. Der Arm schmerzte sehr beim Transport. Aber es war so herrlich mal wieder Ampeln, Bäume, Kinder die von der Schule kommen oder einfach nur Häuser zu sehn.... Leben! Einfach nur das Leben zu sehen. Viele Wochen, seit Mitte März liege ich nun im Bett. Zuerst in Köln, Normal Station, dann Intensivstation, dann nach Solingen auf die Palliativstation und nun sind wir, bzw. Ich an der Endstation angekommen --> dem Hospiz. Nie, aber wirklich Nie, hätte ich das gedacht. Evtl mit 60 oder ok, 50 wäre auch noch der Kracher gewesen, aber jetzt mit 34??? Nääääää, dat hätt' ich nie gedacht. Aber was tun? Man muss aufpassen, das man in so einem Bett, immer im gleichen Zimmer, nicht depressiv wird. Einige Tage auf der Palliativstation hatte ich dieses Gefühl. Das Gefühl Depressiv zu sein. Ein so furchtbar schreckliches Gefühl. Wenn man sowas noch nicht erlebt hat, kann man es dem anderen nicht beschreiben. Sowie man einem Mann nicht erklären kann, wie es sich anfühlt, ein Kind zu bekommen. Eine enge Verwandte hat mit Depressionen und Panikattacken zutun. Ich konnte sie nie verstehen..... Bis ich selbst das erste Mal Depressionen bekam. Ich konnte es damals kaum glauben. Wieso ich? Ein Mensch, der immer Positiv war und fröhlich? Aber dies kam damals von einem Medikament, was mir gespritzt wurde. Ich wurde nach meiner Ersterkrankung, künstlich in die Wechseljahre gespritzt. Eine Nebenwirkung davon waren Depressionen. Und plötzlich konnte ich unsere Verwandte verstehen. Plötzlich dachte ich: durch was für eine Hölle geht sie seit Jahren. Plötzlich versteht man die Menschen, die ihrem Leben selbst ein Ende setzen, weil sie es nicht mehr ertragen können. Ich hab es, Gott sei Dank, mit viel Sport geschafft. Ich wollte keine Antidepressiva schlucken, und deshalb fing ich wieder mit Sport an. Ich hatte ja, Gott sei Dank, keine sehr schlimmen oder starken Depressionen. Doch auch schon diese leichte Form von dieser Krankheit, zeigte mir, wie schrecklich es sein kann. Aber wo war ich eben stehen geblieben? Ich wollte unbedingt noch erwähnen, das ich einen wundervollen Augenblick erleben durfte, als der Krankenwagen anhielt, und wir am Hospiz angekommen waren. Die Türen öffneten sich, und es ging RAUS in die Freiheit. Ich war einen Moment an der frischen Luft, unter Bäumen. Tief atmete ich ein. Meine Augen musste ich kurz schließen, um mich nur auf die Luft konzentrieren zu können. Herrlich. Aber dann BUMMS, war der herrliche Moment plötzlich vorbei, und ich sah Senioren am Tisch sitzen. Nichts sagend. Ich sagte freundlich guten Tag, aber die Senioren hörten es nicht, oder ich weiß es nicht.... Dann kam ein Schild wo draufstand "Hospiz" und unten drunter war ein Pfeil, der auf den Aufzug zeigte.